Hier liebe Leserinnen und Leser, kommt eine meiner absoluten Lieblingsmethoden im Coaching: Fearsetting.
Jeder Mensch kennt es: das lähmende Gefühl der Unsicherheit und Angst, wenn es darum geht, große Entscheidungen zu treffen. Ob es die Angst vor dem Scheitern, vor dem Unbekannten oder vor dem Verlust von Sicherheit ist – diese Emotionen können uns oft davon abhalten, unser volles Potenzial zu entfalten.
Tim Ferriss, Bestsellerautor und Unternehmer, hat für solche Situationen eine einzigartige Methode entwickelt: Fear-Setting. Im Gegensatz zum klassischen Ziel- oder Erfolgsdenken (wie beim Goal-Setting) fokussiert sich Fear-Setting darauf, die Dinge zu analysieren, die uns am meisten Angst machen. Durch das bewusste Durchdenken und Konfrontieren dieser Ängste können wir sie entschärfen und klare Handlungsstrategien entwickeln.
Was ist Fear-Setting?
Fear-Setting basiert auf der Idee, dass es oft nicht die äußeren Umstände sind, die uns blockieren, sondern unsere eigenen Ängste und die Unsicherheiten in unseren Köpfen. Tim Ferriss schlägt vor, diese Ängste systematisch zu definieren, zu analysieren und Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Statt sich nur auf das zu konzentrieren, was man gewinnen könnte, schaut man gezielt darauf, was man fürchtet zu verlieren – und wie schlimm es wirklich wäre, wenn diese Befürchtungen eintreten.
Die Methode basiert auf fünf klaren Schritten, die jeder durchlaufen kann, um Ängste zu durchbrechen und mutigere Entscheidungen zu treffen.
Schritt 1: Definieren - Nenne deine Ängste
Im ersten Schritt geht es darum, die mögliche Entscheidung oder Nicht-Entscheidung zu nennen. Die sogenannte "Forschungsfrage". Dann solltest du dir klar machen, wovor genau du Angst hast. Dabei ist es wichtig, so spezifisch wie möglich zu sein. Ferriss empfiehlt, alle Worst-Case-Szenarien aufzuschreiben – was könnte im schlimmsten Fall passieren? Hier ist es entscheidend, nicht nur vage Gefühle wie „Ich habe Angst, dass es nicht klappt“ zu formulieren, sondern konkret zu beschreiben, was das bedeuten würde.
Beispiel-Fragen könnten sein:
"Was wäre, wenn ich mich für ... entscheide?"
„Was könnte bei dieser Entscheidung schiefgehen?“
„Welche Auswirkungen hätte das auf mein Business oder mein Leben?“
„Wie würde es mich emotional, finanziell oder beruflich treffen?“
Der Schlüssel liegt darin, sich dem Worst-Case-Szenario voll bewusst zu werden und es klar vor Augen zu haben.
Zur Veranschaulichung habe ich ein Beispiel mitgebracht, dass uns durch die Übung führt.
Hier im Bild seht ihr den ersten Schritt, das Definieren der Ängste. Die Coachee nennt zuerst die Forschungsfrage, also die mögliche Entscheidung mit der sie hadert (Sie geht in diesem Fall anfangs in die gedankliche Retrospektive, das hilft manchmal beim Denken) Dabei gilt es, alle möglichen Ängste bezüglich einer Entscheidung zu nennen, so viele, bis der Coachee nichts mehr einfällt:
Schritt 2: Vorbeugen - Entwickle Strategien zur Schadensbegrenzung
Nachdem du deine Ängste definiert hast, geht es im nächsten Schritt darum, dir zu überlegen, was du tun könntest, um das schlimmste Szenario zu verhindern oder zumindest die Auswirkungen zu minimieren. Es geht um die Frage: Was könntest du tun, um den möglicherweise eintretenden Schaden zu begrenzen?
Hier zwei Fragen zum zweiten Teil der Übung:
„Welche Maßnahmen könnte ich im Vorfeld ergreifen, um das Risiko zu minimieren?“
„Gibt es Wege, wie ich mich auf dieses Szenario vorbereiten könnte?“
Auch hier fiel der Coachee wieder einiges ein:
Schritt 3: Reparieren - Wie kann ich entstandenen Schaden gutmachen?
Im dritten Schritt widmen wir uns nun der theoretischen Frage, was getan werden könnte, wenn tatsächlich ein Schaden entsteht. Hilfreiche Fragen sind dazu:
"Was kann ich tun, um den entstandenen Schaden wieder gut zu machen?"
"Wie kann ich die Wunden wieder heilen?"
"Wie könnte ich mich von diesem Einschnitt wieder erholen?"
"Wer könnte mir dabei helfen, den Schaden wieder auszubügeln?"
Hier fiel der Coachee etwas weniger ein, aber etwas ist besser als nichts:
Nach diesen drei Schritten ist bereits einiges klarer und die Ängste sollten sich nicht mehr so übermächtigt anfühlen. An diesem Moment könnte man die Übung auch schon gut abschließen, oder wenn gewünscht zwei weitere Schritte gehen.
Schritt 4: Identifiziere die Kosten des Nicht-Handelns
Dieser Schritt ist besonders kraftvoll: Was passiert, wenn du nichts tust? Welche langfristigen Auswirkungen hat es, wenn du vor deiner Entscheidung oder Herausforderung kapitulieren und auf deine Ängste hören würdest? Es geht darum, die Kosten der Untätigkeit auf emotionaler, finanzieller und persönlicher Ebene zu erkennen.
Ferriss fordert uns auf, darüber nachzudenken, wo wir in sechs Monaten, einem Jahr oder drei Jahren stehen würden, wenn wir nicht handeln. Oft ist die Erkenntnis, dass das Nicht-Handeln letztlich riskanter ist als der Versuch, eine mutige Entscheidung zu treffen, ein echter Augenöffner.
Fragen in diesem Schritt könnten sein:
„Wie wird sich mein Leben entwickeln, wenn ich mich entscheide, nichts zu ändern?“
„Welche Chancen entgehen mir, wenn ich jetzt nicht handle?“
„Welche langfristigen emotionalen oder finanziellen Folgen hat das Zögern?“
Schritt 5: Die Vorteile eines Versuchs oder teilweisen Erfolgs definieren
Neben den Kosten der Inaktivität könnte es ja auch Vorteile des Versuch oder sogar eines Teilerfolgs geben. Nach dem "Peitsche und Zuckerbrot" Prinzip beide unserer menschlichen Motivationsstränge, X und Y, nutzen. Diese Vorteile könnten auch wiederum emotional / sozialer, physischer, oder finanzieller Natur sein.
Warum funktioniert Fear-Setting?
Fear-Setting wirkt, weil es die Macht der Angst reduziert. Oft sind unsere größten Ängste irrational und entstehen in einem gedanklichen Vakuum. Indem wir uns bewusst Zeit nehmen, unsere Ängste zu analysieren, sie schriftlich festzuhalten und Gegenmaßnahmen zu entwickeln, entmystifizieren wir sie. Dadurch entsteht Raum für mutige Entscheidungen und klare Handlungsstrategien.
Ein weiterer großer Vorteil der Methode ist, dass sie uns hilft, den Fokus nicht nur auf das zu richten, was wir gewinnen könnten, sondern auch auf das, was wir verlieren, wenn wir nicht handeln. Dieser Perspektivwechsel kann dazu führen, dass wir mehr Risiken eingehen, die uns langfristig weiterbringen.
Wie du Fear-Setting in dein Leben integrierst
Fear-Setting kann in vielen Situationen nützlich sein – ob du vor einer großen geschäftlichen Entscheidung stehst, eine neue Karriere anstrebst oder in deinem persönlichen Leben etwas verändern möchtest. Es ist eine Methode, die du regelmäßig anwenden kannst, um Klarheit über deine Ängste zu gewinnen und mutiger zu handeln.
Um damit zu starten, nimm dir 30 Minuten Zeit, um die drei Schritte durchzuarbeiten. Schreibe alles auf – der Prozess des Schreibens selbst hilft, die Gedanken zu ordnen und Ängste zu konkretisieren. Durch die regelmäßige Anwendung dieser Methode wirst du bemerken, wie du immer besser darin wirst, mit Unsicherheiten und Ängsten umzugehen.
Fazit: Fear-Setting – Deine Geheimwaffe gegen Entscheidungslähmung
Angst wird immer ein Teil des Lebens sein, sowohl im Unternehmertum als auch in unserem Privatleben. Doch mit der Fear-Setting-Methode hast du ein starkes Werkzeug in der Hand, um deine Ängste zu entschärfen, sie rational zu betrachten und aktiv gegen sie vorzugehen. Dieser Prozess hilft, Ängste zu entmystifizieren, indem man konkrete Lösungen entwickelt. Oft wird dabei klar, dass die befürchteten Folgen weitaus weniger gravierend sind, als sie sich zunächst anfühlen. Hier ist der Link zum Blog von Tim Ferriss und seiner Original-Beschreibung (auf Englisch): https://tim.blog/2017/05/15/fear-setting/.
Du kannst diese Übung für dich selbst zuhause anwenden. Wenn du es unter Anleitung machen möchtest, schreibe mir per Mail und buche die für diese Übung notwendige Online Coaching-Doppelstunde unter coaching@raphaelmammerler.com.
Zum Autor
Raphel Mammerler MSc., gebürtiger Wiener, arbeitet im deutschsprachigen Raum als Trainer und Coach mit Menschen die sich beruflich neu orientieren. Er forschte, im Rahmen seines Masterstudiums der Achtsamkeit, an den Wirkmechanismen und Effekten des Mindful Coworking.
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