Die positiven Effekte von State und Trait Achtsamkeit
- raphaelmammerler
- 24. Mai
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 6 Tagen
Dieser Blogbeitrag ist ein adaptierter Auszug aus der Masterarbeit "Mindful Coworking" (siehe Quellen, S. 55-57).
In der Wissenschaft wird zwischen momentaner (state) und langfristiger (trait) Achtsamkeit unterschieden. Momentane Achtsamkeit ist dabei die Achtsamkeit eines Individuums in einem gewissen Moment (Zustand) und langfristige Achtsamkeit ist die generelle Tendenz eines Individuums achtsam zu sei. Dies wird auch dispositionelle Achtsamkeit genannt und ist vergleichbar mit einer Charaktereigenschaft (Medvedev et al., 2017). Kiken et. al. (2015, S. 1) konnten eine Verbindung zwischen state und trait Achtsamkeit feststellen. Sie fanden heraus, dass das häufige Erzeugen temporärer Achtsamkeitszustände (states) durch Achtsamkeitsinterventionen langfristig zu Achtsamkeit als Charaktereigenschaft (trait) führt.

Quelle: Eigene Darstellung
Trait Achtsamkeit
Der positive (langfristige) Effekt dispositioneller Achtsamkeit auf Arbeitsleistung und arbeitsbezogene Gesundheit ist mittlerweile gut erforscht. Im gesundheitlichen Bereich konnten Vonderlin et al. (2020) in einer Metastudie, die 56 Studien zur Effektivität von achtsamkeitsbasierten Programmen mit über 5000 Studienteilnehmer*innen miteinander verglich, feststellen, dass die Programme effektiv Stress, Burnout, mentale Krisen und körperliche Beschwerden reduzieren und Achtsamkeit, Wohlbefinden, Mitgefühl und Jobzufriedenheit erhöhen (alle Faktoren mit einer kleinen bis großen Effektstärke). Mesmer-Magnus et al. (2017) stellten in einer groß angelegten Meta-Studie über 270 unabhängige Studien und über 58.000 Studienteilnehmer*innen fest, dass Achtsamkeit als Charaktereigenschaft (trait) sowohl persönliche als auch berufliche Vorteile hat. Unter den persönlichen Vorteilen waren positiv korreliert: Selbstbewusstsein (ρ = .39), mentale Gesundheit (ρ = .38), Emotionsregulation (ρ = .40), und Lebenszufriedenheit (ρ = .36), und negativ korreliert allgemeiner Stress (ρ = –.43), negative Emotionen (ρ = –.40), Angst (ρ = –.34), und Depression (ρ = –.38). Professionell scheint Achtsamkeit (ρ = .29), Performance (ρ = .34), und zwischenmenschliche Beziehung (ρ = .31) zu stärken sowie Burnout (ρ = –.48) und Arbeitsentzug (ρ = –.17) zu reduzieren. Auch andere Studien (vgl. Hülsheger et al., 2013; Reb et al., 2014; Good et al., 2015; Bartlett et al., 2019) deuten in die gleiche Richtung.
State Achtsamkeit
Während regelmäßige achtsame Arbeit, durch viele Achtsamkeitsinterventionen, mit hoher Wahrscheinlichkeit, langfristig zur dispositionellen Achtsamkeit beiträgt, ist eine, für diese Arbeit, viel augenscheinlichere Frage, welchen unmittelbaren (kurzfristigen) Effekt temporäre Achtsamkeit auf arbeitsbezogene Faktoren wie Leistung, Stress und Zufriedenheit hat. Dies ist bis dato weniger gut erforscht. Erste Studien deuten in eine positive Richtung. Friese und Hofmann (2016, S. 1) untersuchen die Verbindung zwischen der Fluktuation temporärer Achtsamkeit und Selbstregulation, welche als Mediator für die vielen positiven, mit Achtsamkeit assoziierten, Effekte gesehen wird. Sie berichten davon, dass die Studienteilnehmer*innen bei hoher temporärer Achtsamkeit einen geringeren Konflikt zwischen aktuellem Verlangen und anderen Zielen empfinden. Außerdem war temporäre Achtsamkeit mit mehr Zufriedenheit, weniger Schuldgefühlen, und weniger Bedauern nach dem Nachgeben von Verlangen assoziiert.

Fotoquelle: Wix
Oberleiter et al. (2022, S. 1) berichten von positiven Effekten einer einzelnen Achtsamkeitsintervention auf intrinsische Motivation wobei der Effekt bei Teilnehmer*innen mit niedriger dispositioneller Achtsamkeit höher war. Pepping et al. (2013, S. 1) fanden eine Erhöhung von temporärem Selbstbewusstsein durch eine einzelne Achtsamkeitsintervention. Auch Johnson et al. (2015) fanden eine positive Beziehung zwischen einer Achtsamkeitsmeditation und darauffolgender positiver Stimmung sowie einem erhöhten Zustand von Achtsamkeit. Gorman und Green (2016) fanden einen positiven Effekt einer kurzen Achtsamkeitsintervention auf die Aufmerksamkeitsfähigkeit, besonders bei Menschen, die viel Media-Multitasking betreiben.
Der Interviewpartner der Masterarbeit (IP07) beschreibt die Wirkungsweise folgendermaßen: „Es reduziert Stress durch dieses Konzentrieren durch das immer wieder sich zurückkommen auf die Atmung und das ist auch bei der Stressbewältigung ist es einer der wichtigsten Übungen das bewusste Wahrnehmen des Körpers, das bewusste Wahrnehmen des Atems. Das allein verhindert schon, dass Stress sich so aufschaukelt. Es wird durch Achtsamkeitspraxis, durch das bewusste Wahrnehmen dessen, was jetzt ist, wird diese negative, sich aufschaukelnde Stressspirale unterbrochen und man hat die Chance auszusteigen […]“ (IP07, Z. 709-726).
Positiver Regelkreis zwischen Stait und Trait Achtsamkeit
Es scheint jedoch auch einen positiven Effekt in die gegenläufige Richtung zu geben. Teilnehmer*innen mit hoher dispositioneller Achtsamkeit berichten in einer Studie von stärkeren temporären Achtsamkeitszuständen als Teilnehmer*innen mit geringerer dispositioneller Achtsamkeit (Bravo et al.,2018, S. 1). State und trait Achtsamkeit scheinen sich gegenseitig, wie in einem positiven Regelkreis, zu verstärken.

Quelle: Eigene Darstellung
Fazit
Sowohl "state" als auch "trait" scheinen vielfach positive Effekte auf uns Menschen zu haben. Somit zahlt sich Achtsamkeitstraining kurzfristig als auch langfristig aus, da die beiden Zustände in einem positiven Regelkreis verbunden ist.
Zum Autor
Raphel Mammerler MSc., gebürtiger Wiener, arbeitet im deutschsprachigen Raum (überwiegend Wien/Berlin) als Trainer, Coach und Supervisor für Motivation und berufliche Entwicklung. Er forschte, im Rahmen seines Masterstudiums der Achtsamkeit, an den Wirkmechanismen und Effekten des Mindful Coworking.

Quellen
Masterarbeit, Raphael Mammerler, 2023
Bartlett, L., Martin, A., Neil, A. L., Memish, K., Otahal, P., Kilpatrick, M., & Sanderson, K. (2019). A sys tematic review and meta-analysis of workplace mindfulness training randomized controlled tri als. Journal of Occupational Health Psychology, 24(1), 108–126. https://doi.org/10.1037/ocp0000146
Bravo, A. J., Pearson, M. R., Wilson, A. D. & Witkiewitz, K. (2018). When Traits Match States: Examining the Associations Between Self-Report Trait and State Mindfulness Following a State Mindfulness In duction. Mindfulness, 9, 199–211. https://doi.org/10.1007/s12671-017-0763-5
Friese, M., & Hofmann, W. (2016). State mindfulness, self-regulation, and emotional experience in everyday life. Motivation Science, 2(1), 1–14. https://doi.org/10.1037/mot0000027
Good D. J., Lyddy C. J. & Glomb T. M. (2015). Contemplating Mindfulness at Work: An Integrative view. Journal of Management, 42(1), 114-142. https://doi.org/10.1177/0149206315617003
Gorman, T. & Green, C. (2016). Short-term mindfulness intervention reduces the negative attentional effects associated with heavy media multitasking. Sci Rep, 6(24542). https://doi.org/10.1038/srep24542
Hülsheger, U. R., Alberts, H. J. E. M., Feinholdt, A. & Lang, J. W. B. (2013). Benefits of mindfulness at work: The role of mindfulness in emotion regulation, emotional exhaustion, and job satisfac tion. Journal of Applied Psychology, 98(2), 310–325. https://doi.org/10.1037/a0031313
Johnson, S., Gur, R. M., David, Z. & Currier, E. (2015). One-Session Mindfulness Meditation: A Randomized Controlled Study of Effects on Cognition and Mood. Mindfulness, 6, 88–98. https://doi.org/10.1007/s12671-013-0234-6
Kiken, L., Garland, E., Bluth, K., Palsson, O. & Gaylord, S. (2015). From a state to a trait: Trajectories of state mindfulness in meditation during intervention predict changes in trait mindfulness, Personality and Individual Differences, 81, 41-46. https://doi.org/10.1016/j.paid.2014.12.044
Medvedev, O. N., Krägeloh, C. U., Narayanan, A., Siegert, R. J. (2017). Measuring Mindfulness: Applying Generalizability Theory to Distinguish between State and Trait. Mindfulness, 8(4), 10361046. https://doi.org/10.1007/s12671-017-0679-0
Mesmer-Magnus, J., Manapragada, A., Viswesvaran, C., & Allen, J. W. (2017). Trait mindfulness at work: A meta-analysis of the personal and professional correlates of trait mindfulness. Human Performance, 30(2-3), 79-98. https://doi.org/10.1080/08959285.2017.1307842
Oberleiter, S., Wainig, H., Voracek, M. & Tran, U. S. (2022). No Effects of a Brief Mindfulness Intervention on Controlled Motivation and Amotivation, but Effect Moderation Through Trait Mindfulness: a Randomized Controlled Trial. Mindfulness, 13, 2434–2447. https://doi.org/10.1007/s12671-02201968-7
Pepping, C. A., O’Donovan, A. & Davis, P. J. (2013). The positive effects of mindfulness on self-esteem, The Journal of Positive Psychology, 8(5), 376-386. https://doi.org/10.1080/17439760.2013.807353
Reb, J., Narayanan, J. & Chaturvedi, S. (2014). Leading Mindfully: Two Studies on the Influence of Supervisor Trait Mindfulness on Employee Well-Being and Performance. Mindfulness, 5, 36–45. https://doi.org/10.1007/s12671-012-0144-z
Vonderlin, R., Biermann, M., Bohus, M., & Lyssenko, L. (2020). Mindfulness-based programs in the workplace: A meta-analysis of randomized controlled trials. Mindfulness, 11(7), 1579-1598. https://doi.org/10.1007/s12671-020-01328-3
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