Das Konzept des Ikigai, eine japanische Lebensphilosophie, zielt darauf ab, den individuellen Lebenssinn zu finden, indem man vier zentrale Fragen beantwortet: Was liebst du zu tun? Worin bist du gut? Wofür kannst du bezahlt werden? Und was braucht die Welt von dir? Im Karrierecoaching kann dieses Modell als Werkzeug eingesetzt werden, um Klarheit über berufliche Entscheidungen zu gewinnen. Wie das in der Praxis aussieht, zeige ich hier anhand einer fiktiven Fallstudie.
Fallbeispiel: Thomas, der unzufriedene Ingenieur
Thomas ist 40 Jahre alt und arbeitet seit 15 Jahren als Ingenieur in einem großen Unternehmen in Wien. Er verdient gut, hat eine Führungsposition inne, doch in den letzten Jahren hat er das Gefühl, auf der Stelle zu treten. Er ist frustriert, weil ihm der Sinn in seiner Arbeit fehlt. Jeden Morgen fällt es ihm schwer, motiviert zur Arbeit zu gehen, obwohl er erfolgreich ist. In einem Karrierecoaching will er herausfinden, ob er in seiner Karriere eine neue Richtung einschlagen sollte.
Das Coaching-Gespräch: Einführung in Ikigai
Im Coaching schlägt der Coach vor, das Ikigai-Modell zu verwenden, um die Kernfragen seines beruflichen Lebens zu reflektieren. Ziel ist es, Thomas zu helfen, Klarheit darüber zu erlangen, was ihn beruflich erfüllen könnte und wo seine berufliche Zukunft liegen könnte.
Die vier Dimensionen des Ikigai-Modells – Leidenschaft, Profession, Berufung und Mission – geben den Rahmen für das Coaching vor. Diese Dimensionen bilden die Basis, um herauszufinden, wo Thomas’ persönlicher Lebenssinn liegt.
Phase 1: Was liebst du zu tun?
Der Coach bittet Thomas, sich darauf zu konzentrieren, was er wirklich gern tut. Thomas erwähnt, dass er sich schon immer für das Design von Autos begeistert hat. Als junger Mann hat er sogar in seiner Freizeit kleine Modelle gebaut und hatte immer den Traum, eines Tages ein eigenes Auto zu entwerfen. In seinem aktuellen Job hat er jedoch kaum Berührungspunkte mit dem kreativen Prozess – er arbeitet hauptsächlich in der technischen Entwicklung und Leitung von Projekten.
Phase 2: Worin bist du gut?
Im nächsten Schritt reflektieren Thomas und der Coach über seine beruflichen und persönlichen Stärken. Thomas ist nicht nur technisch versiert, sondern hat auch ein starkes Verständnis für ästhetisches Design und funktionales Denken. Seine Kollegen schätzen ihn besonders für seine Kreativität und seine Fähigkeit, innovative Ideen in technischen Umgebungen zu entwickeln. Diese Talente setzt er jedoch in seinem aktuellen Job kaum ein.
Phase 3: Wofür kannst du bezahlt werden?
Thomas verdient in seiner aktuellen Position gut, fühlt aber, dass er für Aufgaben bezahlt wird, die ihn nicht erfüllen. Der Coach fragt, ob es Möglichkeiten gibt, seine technischen Fähigkeiten und seine Leidenschaft für Design zu kombinieren. Thomas erwähnt, dass er sich immer mehr für den Bereich Produktdesign interessiert. In Gesprächen mit Freunden und Bekannten hat er von wachsenden Möglichkeiten im Bereich Industriedesign gehört, insbesondere in der Automobilbranche und bei Start-ups, die innovative Produkte entwickeln.
Phase 4: Was braucht die Welt von dir?
Schließlich reflektieren Thomas und der Coach darüber, was er der Welt bieten kann. Thomas erkennt, dass die Automobilindustrie vor einem großen Wandel steht – nachhaltige Mobilität und innovative Fahrzeugkonzepte sind stark im Kommen. Hier sieht Thomas eine Chance: Mit seinem technischen Wissen und seiner Leidenschaft für Design könnte er an zukunftsorientierten Projekten arbeiten, die neue, umweltfreundliche Fahrzeuge entwickeln. Dies würde nicht nur seine Fähigkeiten und Interessen vereinen, sondern auch einen positiven Beitrag zur Gesellschaft leisten.
Das Ergebnis: Thomas’ persönliches Ikigai
Nach mehreren Sitzungen hat Thomas eine klare Vorstellung davon, wo sein berufliches Ikigai liegt: Im Bereich des nachhaltigen Fahrzeug- und Produktdesigns. Er erkennt, dass seine Leidenschaft für Autos, sein Talent im Design und seine technische Expertise ihn perfekt für eine Karriere im Industriedesign qualifizieren. Zudem kann er durch die Arbeit an neuen Mobilitätslösungen einen sinnvollen Beitrag zur Umwelt leisten.
Thomas beschließt, eine Weiterbildung im Industriedesign zu beginnen und sich in diesem Bereich nach neuen beruflichen Möglichkeiten umzusehen. Er spricht mit Unternehmen, die an nachhaltigen Fahrzeugkonzepten arbeiten, und ist motiviert, diesen beruflichen Weg zu verfolgen.
Fazit: Ikigai als Wegweiser im Karrierecoaching
Das Konzept des Ikigai bietet im Karrierecoaching eine wertvolle Struktur, um Klienten dabei zu helfen, ihre beruflichen Wünsche, Stärken und ihren Lebenssinn zu entdecken. In Thomas’ Fall hat das Ikigai-Modell nicht nur geholfen, seine tiefe Leidenschaft für Design wiederzuentdecken, sondern auch eine neue berufliche Richtung zu definieren. Anstatt weiter in einem Job zu bleiben, der ihn frustriert, hat er nun Klarheit über seine zukünftige berufliche Ausrichtung und ist bereit, seine Leidenschaft in einer neuen Branche – dem nachhaltigen Fahrzeug- und Produktdesign – zu verwirklichen.
Der Weg zum beruflichen Ikigai ist nicht immer einfach, aber mit der richtigen Reflexion und gezielten Coaching-Ansätzen kann er Menschen wie Thomas dabei helfen, den eigenen beruflichen Sinn zu finden und eine erfüllendere Karriere zu gestalten.
Auch Sie möchten Ihren persönlichen Ikigai finden? Dann kommen Sie gerne zu mir ins Coaching und wir machen die Übung gemeinsam. Schreiben Sie mir dazu unter coaching@raphaelmammerler.com. Das erste Online-Gespräch (50 Minuten) zum Kennenlernen ist kostenfrei und unverbindlich.
Zum Autor
Raphel Mammerler MSc., gebürtiger Wiener, arbeitet im deutschsprachigen Raum als Trainer und Coach mit Menschen die sich beruflich neu orientieren. Er forschte, im Rahmen seines Masterstudiums der Achtsamkeit, an den Wirkmechanismen und Effekten des Mindful Coworking.
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